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7. Oktober 2010

Schach-Talk mit GM Philipp Schlosser

Immer wieder mittwochs treffen sich einige wissensdurstige Schachjünger in der LA 8, um zusammen mit Großmeister Philipp Schlosser unter seiner Moderation Schachthemen zu diskutieren. Was bedeutet das eigentlich, wenn Mostafa allwöchentlich in einem Rundmail diese Veranstaltung als „umfassende Studie in allen Gebieten des königlichen Spiels“ beschreibt? Inzwischen liegt das erste halbe Jahr dieser Veranstaltungsreihe zurück und gibt Anlass für eine Würdigung.

Zugegeben, das Thema „Schach-Talk“ passt in keine, jedenfalls keine schachliche Schublade. Der eine oder andere wird, wenn er verstohlen von seinen Online-Schachaktivitäten aufblickt und auf die zugzwang-homepage klickt, mit der Ankündigung „Schach-Talk“ nur wenig anfangen können. Schach ist gut, Talk ist gut, aber Schach-Talk klingt wie Zeit verlieren. Anders ist wohl nicht zu erklären, dass der Schach-Talk bisher nicht so den regen Zuspruch findet, den man ihm wünschen würde. Was also geht da ab?

Das Wichtigste vorweg: Wer da hinkommt, verliert keine Zeit. Er muss sich nicht einmal viel Mühe geben, weil Philipp sich schon vorbereitet hat und mit einem oder mehreren Themen aufwartet. Mit den Teilnehmern forstet er z.B. den Veranstaltungskalender durch und stellt Eigenheiten der Turniere vor. Oder er bringt anlässlich des Todes von Bent Larsen dessen 1970 im Batsford-Verlag herausgekommenes Buch „Master of Counter-Attack“ mit, um mit den Anwesenden die dortige traditionelle Notation einzuüben. Welch eine Idee! Zumeist werden auch Strukturen bestimmter Eröffnungen erörtert. Letztes Mal ging es um das Wolga-Gambit. Philipp brachte ein Heft mit und zeigte uns, wie er vor 20 Jahren Partien aus dem Informator zusammenstellte und gliederte. Er warf verschiedene Partien an die Wand, z.B. eine mustergültige Partie zwischen Taimanov und Bronstein aus dem Kandidatenturnier 1953, aber auch Partien österreichischer Jugendlicher, um typische Fehler aufzuzeigen. Er zeigte uns test-positions aus dem Buch zum Benkö-Gambit von McDonald und ließ uns die eine oder andere lösen. Dabei ist Philipp immer für einen klugen Spruch zu haben. Wer einen zu komplizierten Zugvorschlag gibt, muss damit rechnen, gesagt zu bekommen, die guten Schachspieler spielten oft so, wie die schwächeren spielen sollten. Bestechend ist vor allem die hohe Durchdringung der Materie. Welcher Schachspieler könnte z.B. behaupten, im angenommenen Wolga-Gambit sei es für Schwarz gut, ein Pferd zu tauschen, aber nicht unbedingt beide, und für Weiß sei der Vorstoß f4 nicht zu empfehlen, er solle seine Stellung erst einmal konsolidieren. Und wer würde sich eine Antwort auf die Frage zutrauen, wann sein eigener Fianchetto-Läufer getauscht werden sollte? Ganz nebenbei wird auch über Sachen gesprochen, die irgendwann einmal gesagt werden müssen, z.B. über die Konsequenzen eines unmöglichen Zuges beim Blitzen einerseits (Partieverlust), bei einer Kurzpartie andererseits (Zeitzugabe für den Gegner), oder über die richtige Art und Weise, ein Remis anzubieten (nämlich nach dem Ziehen und vor dem Uhrdrücken). Wer da hinkommt, verliert keine Zeit? Vielleicht sollte man doch etwas relativieren. Spieler unterhalb der Bezirksklasse dürften es schwer haben zu folgen, und Spieler, die in der Bundesliga eingesetzt werden, dürften sich wohl eher langweilen. Alle anderen sollten sich die Mittwochs-Termine, an denen „getalkt“ wird, rot in ihrem Kalender anstreichen (Patrick Bruns).